Signet

Bildpostkarten
Bönemann
Bücher

Buchbesprechung
Vorwort
Landwirtschaft
Hof
Kotten
Kotten
Querdeelenhaus
Kleinhaus
Bei Steinemann
Gartenwirtschaft
Pfarrhaus
Apotheke
Biggeleben von 1730
Kleinhaus
Kleinhaus
Kleinhaus
Doppelhaus Lillotte
Kleinhaus
Sommerwohnung
Wohnhaus

 Stadt und Land im Wandel

 Bauen, Wohnen und Wirtschaften
im 18. und 19. Jahrhundert
in Menden und Lendringsen

Dissertation von 1998
publiziert im Oktober 2000
Preisverleihung durch den LWL im Jahre 2001



Vorwort/ Einleitung

Vorwort
Der Autor ist vielen Bürgern zu Dank verpflichtet dafür, daß sie ihm Einblick in ihre Bauakten gewährten und daß er ihre Hausmaße aufnehmen und auswerten durfte. Ihnen verdankt er im Sinne der "Oral History” unverzichtbare mündliche Informationen. Zahlreiche Bürger stellten Fotomaterial zur Dokumentation großzügig bereit und legten ihre Unterlagen offen. Die Herkunft der Fotos, Abbildungen und Zeichnungen sind durch eine eingeklammerte Numerierung im anhängenden Fotonachweis nachzulesen. Herrn Friedhelm Ackermann, Arnsberg, gilt besonderer Dank für die zahlreichen Fotos vom März 1997.

Für zahlreiche Anregungen gilt mein Dank Thomas Spohn (Westfälisches Amt für Denkmalpflege, Münster), Leopold Schütte (Staatsarchiv Münster), Christoph Köck (Institut für deutsche und vergleichende Volkskunde, Universität München), Dr. Rolf Dieter Kohl (Kreisarchiv Lüdenscheid) und Wilhelm Bleicher (Iserlohn). Dank für die Überlassung des Kartenmaterials auf elektronischem Datenträger sowie der Flurbücher gilt Herrn Stefan Offermann (Katasteramt Lüdenscheid).

Der langjährige Leiter des städtischen Museums, Helmut Hoffmann (1960-1995), hat mich in jeglicher Hinsicht bei meinen Forschungen unterstützt. Der ehemalige Leiter der Lendringser Heimatstube, Joseph Koch (1900-1970), stellte mir 1969 für eine Studienarbeit Text- und Bildmaterial zur Verfügung, das hier erneut aufgearbeitet und wesentlich ergänzt wird. Herrn Heinz Hammerschmidt (Menden) danke ich für die Überlassung von eigenen Forschungen. Dank gilt auch meinen Schwiegereltern Ilse und Werner Kracht (Unna) und Siefgried Olms (Olpe) für die Durchsicht des Textes.

Mein besonderer Dank gilt Professor Dr. Peter Weber. Er hat mich bei dieser Arbeit wesentlich unterstützt und mir Anregungen zur Vertiefung und Ergänzung der Thematik gegeben. Die Arbeit wurde am 14.10.1998 der Philosophischen Fakultät in Münster vorgelegt und als Dissertation angenommen.

Theo Bönemann

 

Einleitung

Ältere, schwer lesbare Akten zu Geschichte und Zeitgeschehen erscheinen vielen Zeitgenossen oft als leblose Materialsammlungen. Findet man persönliche Mitteilungen, Beschwerden und Wertungen, wird Archivarbeit jedoch spannend. Vergangenheit wird lebendig und unsere heutige heimatliche Kulturlandschaft als Ergebnis eines Entwicklungsprozesses leichter erklärbar. Die Frage nach dem Wandel von "Wohnen und Wirtschaften” ließ in der Gemarkung Menden Unterschiede des verwobenen Sozialgefüges, der Besitz- und Berufsstruktur einer bis in das 19. Jahrhundert nahezu siedlungsleeren Stadtgemarkung und einer bis dahin dünn besiedelten ländlichen Gemarkung erwarten. Die Gemarkungen waren durch die erste amtliche Vermessung in benannte Fluren unterteilt.

Die Mendener Gemarkung bestand aus den Fluren Der Galgenberg, Horleke, Auf dem Hördingerkamp, Am Laer Wege, Auf dem gelben Morgen, Ober Ohl, Die Oese Wiesen, Der Rodenberg, Das Sundern, Die Waldemei und Am Werler Wege. Die Gemarkung Böingsen (heute Lendringsen) war in die Fluren Berge, Böingsen, Bremke, Buchen, Hüingsen, Lendringsen, Lürbke, Spitthof und Steinhausen eingeteilt.

"Stadt” und "ländliche Siedlung” sowie "Stadtluft macht frei” und "Stadt und Land trennen nichts als die Mauer” deuten Aspekte dieser Arbeit an. Es geht dabei nicht um die in der Fachwissenschaft oftmals in Frage gestellte Leistungsfähigkeit der analytischen Begriffe "Stadt” und "Land”. Im Vordergrund stehen Bauen, Wohnen und Wirtschaften.

Die in der heimischen Literatur vielfach genannte Einstufung Mendens als Ackerbürgerstadt lieferte einen weiteren Anstoß zur Thematik. Bockholt (1987) konnte wegen fehlender Antwort der Stadt keine Aussage über Menden als Ackerbürgerstadt machen. Diese Lücke gilt es zu schließen.

Weitgehend unberücksichtigt bleiben ähnlich mögliche Betrachtungen zu den Gemarkungen der anderen Ämter Mendens (Bösperde, Halingen, Holzen, Oesbern, Schwitten, Sümmern und Wimbern). Ein Ansatz für das Thema "Stadt und Land im Wandel – Bauen, Wohnen und Wirtschaften im 18. und 19. Jahrhundert in Menden und Lendringsen” bot eine Zusammenstellung zum Kapitel "Höfe in Lendringsen”, die in der Lendringser Heimatstube schlummerte. Joseph Koch (1900-1970) schrieb darüber um 1944 Kurzberichte. Lokalgeschichtliche Literatur zur Hausforschung ist bis auf wenige Anmerkungen und Teilaspekte nicht existent. Es ist bereits allgemeine, fachliche und regional bezogene, beispielgebende Literatur publiziert, insbesondere von den Autoren K. Bedal ("Historische Hausforschung”), St. Baumeier und Ch. Köck ("Sauerland. Facetten einer Kulturregion”), M. Mennebröcker ("Häuser und Höfe der Gemeinde Wadersloh”), F. Kaspar und K. Terlau ("Hattingen, Zum Baubestand einer westfälischen Kleinstadt vor 1700”), J. Schepers ("Haus und Hof Westfälischer Bauern”) und U. Barth ("Die Profanbaukunst im Märkischen Sauerland 1815-1880”, Märkischer Heimatbund). Hervorzuheben sind die die Arbeiten "Kunst- und Geschichtsdenkmäler im Märkischen Kreis” und die von von Heinrich Stiewe ("Hausbau und Sozialstruktur einer niederdeutschen Kleinstadt. Blomberg zwischen 1450 und 1870“, Detmold 1996”). Bestrebungen, in Archiven, im Bauamt und in privaten Sammlungen fündig zu werden, um ein grobes, gedanklich bereits entwickeltes "Ständerwerk” mit "Inhalt” auszustatten und das "Gebäude” mit Leben zu füllen, blieben nicht ohne den erhofften Erfolg und zeitigten bald konkrete Ergebnisse.

Es fanden sich Bestandslisten über Nutzvieh (1589), Grundbesitz innerhalb der zu Menden gehörenden Fluren (1667, 1829) sowie über Berufsangaben der Einwohner (1759, 1840, 1896). Der Grundbesitz jeder Haus- und Hofstätte wurde aus ca. 42.000 Daten (Eigentümer, Grundstücksgröße, Steuerertrag, Bodengüte, Parzellennummer) der bislang in Menden kaum berücksichtigten ersten amtlichen preußischen Landvermessung ermittelt, lokalisiert und statistisch ausgewertet (Katasteramt Lüdenscheid: Vermessung von 1829/1832). Die dem Text beigefügten Karten basieren auf diesen Vermessungen. Dieser statistische Teil der Arbeit mündet in ein gesondertes Kapitel und wird bei den Hausobjekten ebenfalls zu Rate gezogen. Die Graphiken sind vom Autor mittels kartographischer Methoden aus Flurkarten und Flurbüchern der Gemarkungen Mendens und Lendringsens erstellt worden.

Das Adressbuch für den Kreis Iserlohn von 1896 erwies sich als wertvolle Quelle mit der Angabe sämtlicher Haushaltungen und Berufe, insgesamt ca. 6.000 Eintragungen. Allerdings sind nur die zur Stadt und Lendringsen gehörenden Haushaltungen straßenmäßig erfaßt. Das Material wurde ergänzt durch zahlreiche, in der Information allerdings recht unterschiedlich ergiebige Quellen. Die Quellenlage ist allgemein als spärlich anzusehen. Statistische Erfassungen der Gewerbe, der Bürger, der Wohnstätten, der Einkünfte der Familien, ihrer Profession etc. sind sehr dürftig und die Bauakten sogar unvollständig.

In einem weiteren Teil dieser Arbeit werden erhaltene und inzwischen zerstörte Gebäude, insbesondere zur Beantwortung der Frage nach dem "Wohnen und Wirtschaften (Arbeiten)” bzw. im affinen Sinne nach "Muße und Arbeit” (Bedal 1993, S. 86) in Stadt und Land, herangezogen. Von den vielfältigen Grundfunktionen sollen die der menschlichen Existenz – des Wohnens, Arbeitens und Sich Versorgens – eine besondere Berücksichtigung finden, wodurch diese Arbeit erheblich in die historische Siedlungsgeographie hineinreicht und sich der genetischen Arbeitsweise bedient. Das Begriffspaar "Muße und Arbeit” hat sich in der volkskundlichen Hausforschung eingebürgert und findet daher hier Anwendung. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß es nicht im Sinne des heutigen Sprachgebrauchs zu verstehen ist.

Dem Autor boten insbesondere Archive in Menden, Münster und Paderborn grundlegende Hilfe. Er führte Befragungen vor Ort durch und legte Bestandsaufmaße von einzelnen Gebäuden an. Vorhandene, meist grobe, schematische, auf das Fachwerk reduzierte Bestandsaufmaße wurden auf mögliche Abweichungen hin kontrolliert. Einige Zeichnungen zu Höfen in Lendringsen sind besonders aufschlußreich, da sie dem in der Hausforschung gewünschten detaillierten Aufmaß nahekommen. Die Zeichnungen und Grundrisse wurden weitgehend nach Aktenlage erstellt. Abweichungen von den realen Entwicklungen sind daher möglich.

Zahlreiche Aspekte zur Baugeschichte und zu geschichtlichen Hintergründen einzelner Häuser (z. B. des Hauses Bi(e)g(g)eleben, später Alte Apotheke genannt) sind nun erstmals erfaßt oder im Sinne der Thematik wesentlich ergänzt worden. Einige städtische Gebäude, wie das ehemalige Haus Wulff als eines der wichtigsten und bemerkenswertesten Denkmäler und die einstigen Bauernhäuser in der Bauerschaft Böingsen (heute Lendringsen), sind trotz ihrer Zerstörung Zeugen wesentlicher Epochen lokaler Siedlungsgeschichte. Eine Bauerschaft war ein nachbarlicher Personenverband. Das mehrfach benutzte Wort leitet sich von dem niederdeutschen Wort "burschap” ab. Der "bur” war ein vollberechtigtes Mitglied der "Bauerschaft” im Gegensatz zu den jüngeren Köttern, Knechten und Beiliegern. Aus "nah-burschap” wurde Nachbarschaft.

Hauswirtschaft, Stadtwirtschaft, Siedlungsgeschichte und Bevölkerungsentwicklung werden volkskundlichen, historischen und geographischen Fragestellungen unterzogen, um veränderte Strukturen in Stadt und Land zu erkennen. Damit geht die Arbeit über die rein bauliche Erforschung hinaus und läßt die profanen Hausobjekte in ihrem historischen Zusammenhang erscheinen. Die ausgewählten Gebäude der Geistlichkeit, der Händler, Handwerker, Bauern, Tagelöhner und der Armen spiegeln die wesentlichen sozialen Gruppen wider. Eine "soziale Hierarchie der Häuser” wird erkennbar.

Die Reihenfolge der exemplarisch vorgestellten Gebäude ist so gewählt, daß sie den sozioprofessionellen und baulichen Wandel des Gemeinwesens dokumentieren. Die Einteilung der Gebäude nach ihren Grundrissen (hier im Maßstab 1 : 200), nach Straßen oder dem Zeitpunkt ihrer Aufnahme in die Denkmalliste erscheint dem Thema nicht angemessen und wenig sinnvoll, da die typologische Auswertung der Grundrisse vor einer lückenhaften, die Stadt erfassenden statistischen Auswertung rangiert. Eine Großzahlforschung oder eine vollständige Erfassung des Hausbestandes zu einem bestimmten gemeinsamen Zeitpunkt – etwa um 1700 oder 1900 – entspricht nicht der gestellten Aufgabe. Damit ergibt sich eine unterschiedliche Gewichtung in der Darstellung einzelner Objekte sowie ihrer funktionalen und gesellschaftlichen wandelnden Bedingungen.

Die traditionelle Gegenüberstellung Bauernhaus-Bürgerhaus wird verworfen, da auch Häuser berücksichtigt werden müssen, die in dieses Schema nicht einzuordnen sind. In der Regel werden die allgemeinen funktionellen Bezeichnungen "Haus” und "Gebäude” gewählt. Im Jahre 1987 wurde von den etwa 500 Gebäuden der Altstadt der Anteil der vor 1870 errichteten Gebäude auf 25 Prozent eingeschätzt. Bei 20 Prozent wurde ihre Erbauungszeit zwischen 1870 und 1900 und bei 55 Prozent zwischen 1900 und 1987 angenommen. Eigentliche Altstadtviertel gibt es heute nicht mehr, jedoch wird die gegenwärtige Innenstadt noch überwiegend durch ältere Bebauung aus der Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert geprägt. Damit erhalten die wenigen alten Gebäude einen hohen Stellenwert in der Geschichte des Stadtwesens. Die in dieser Arbeit ausgewählten Gebäude stammen aus der Zeit des späten Mittelalters bis zum Ersten Weltkrieg mit einem Schwerpunkt im 18. und 19. Jahrhundert. Spätestens danach nämlich bezog man vielfältige fremde Stil- und Bauelemente in die Neu- und Umbauten ein.

Zur Erläuterung sei gesagt, daß die heutige, im administrativen Sinne als Gemeinde bezeichnete Siedlung Lendringsen um 1795 noch überwiegend aus "Dörfern” – so die Bezeichnung in einer zeitgenössischen Statistik – bis zu acht, durchschnittlich jedoch aus vier Wohngebäuden in Gruppensiedlungen bestand. Das wegen mehrerer aneinanderliegender Haus- und Hofstätten als Weiler zu bezeichnende alte "Duorp Lendringsen” mit einer Vier-Höfe-Siedlung von Brauckmann, Hamer (später Bürmanns Hof), Hense und Vogt am Kreuzungspunkt der Salzstraße/Mendener Straße sowie der ehemalige Adelssitz Rödinghausen ragten mit höherer Häuserdichte aus der Gemarkung hervor. Der Name der heutigen Siedlung Böingsen galt für die Gemarkung bis 1936, als man diese in Lendringsen umbenannte. "Lenderinkuson” ist eine Lagebezeichnung aus dem 11. Jahrhundert. In dieser Arbeit wird der Name Lendringsen verwandt, jedoch nicht, wenn Verwechslungen mit Böingsen vermieden werden müssen.

Signetklein        Bücher        Fotos        Bildpostkarten        Aufsätze und Presse        650 Jahre Burg Klusenstein